Seit Wochen lies ihn der Gedanke nicht mehr los. Er konnte kaum noch schlafen und spielte jede Kleinigkeit in seinem Kopf durch. Wie sie wohl reagieren würde? Paris. Die Stadt der Liebe. Er hatte alles geplant und jedes Ticket im Voraus reserviert. Die Limousine vom Flughafen, das luxuriöse Hotelzimmer mit Aussicht auf den Eiffelturm und den besten Platz in einem der Top Restaurants der Stadt direkt an der Seine, wo er ihr die Frage aller Fragen stellen würde. Es gab keinen Zweifel, dass dies der schönste Moment seines Lebens werden würde. Mit diesen klaren Bildern und Gedanken legte er sich ins Bett, gab ihr einen sanften Gute Nacht Kuss und träumte sich zufrieden in den Schlaf.
Seit Wochen lies sie der Gedanke nicht mehr los. Es passierte an einem Samstag Abend, nach dem Klassentreffen. Dass sie ihren Exfreund sehen würde war ihr bewusst aber dass es sie mit solch einer Wucht traf, damit kam sie an dem Abend nicht klar. Er sah besser aus als je zu vor, stand mit beiden Beinen fest im Leben. Die Anziehung an dem Abend war einfach zu stark und so gaben sie sich nach all den Jahren berauscht vom Alkohol und des Moments einander hin. Und nun, wollte ihr Freund ein spontanes Wochenende in Paris mit ihr verbringen, obwohl sie für ihn kaum noch etwas empfand. Er war ja ganz nett aber nüchtern gesehen waren die letzten beiden Jahre langweilig und nicht dass was sie vom Leben wollte. Das wusste sie spätestens nach diesem unerwarteten und unvergesslichen Samstag. Der Gute Nacht Kuss bestätigte sie, denn er fühlte sich eindeutig nach Abschied an.
Der nächste Morgen. Noch 5 Stunden bis zum Flug.
Er fühlte sich großartig. Während sie noch schlief, bereitete er voller Vorfreude ein Frühstück vor. Der Tag sollte unvergessen bleiben. Kaffee, Orangensaft, ein Schluck Prosecco, frische Brötchen, ein bisschen Gemüse und ein weiches Ei. Er hatte bereits gestern alles gepackt um heute keinen Stress mehr zu haben. Planung ist alles. Er liebte ihren verschlafenen Blick am Morgen, die zerzausten Haare die ihr stehts zu Berge und quer durchs Gesicht hingen. Es war dieses perfekte Chaos ohne dem er nicht mehr leben wollte.
Sie fühlte sich wie erschlagen. Die ganze Nacht lang träumte sie von ihrem Exfreund, der spektakulären Nacht und einem neuen Leben in Freiheit. Als er das Frühstückstablett auf ihrem Schoß abstellte und sie sich nicht mehr bewegen konnte wollte sie am liebsten losschreien. Ihr Kopf brummte und die Vorstellung in ein paar Stunden in einem Flieger zu sitzen war die reinste Qual. Und was sollte das eigentlich mit dem beschissenen Frühstück? Mehr als ein “Danke” brachte sie nicht heraus. Sie kroch widerwillig aus dem Bett und begab sich unter die Dusche.
Er verließ das Haus mit den Worten: “Bis in zwei Stunden, dann fahren wir zum Flughafen.” Er hatte noch einen wichtigen Termin beim Juwelier. Der Verlobungsring war bereit zur Abholung. Silber, nicht zu aufdringlich, mit einem kleinen, lupenreinen Diamanten. Auf der Innenseite war das Datum des Tages, an dem sie sich kennengelernt hatten eingraviert. Sie standen damals unter der Markise einer Bäckerei. Es regnete in Strömen und sie hatten beide keinen Schirm dabei. “Wann bist du das letzte mal durch den strömenden Regen gelaufen?” fragte er sie spontan. “Wenn ich laufe, musst du auch”, antwortete sie ihm mit einem Lächeln. “Nur wenn ich deine Nummer bekomme.” “Hol sie dir wenn du kannst.” Sie lief los und er musste lachen, so unfassbar schön war sie.
Nach der Abkühlung unter der Dusche war sie nur wenig entspannter. Sie wollte nicht nach Paris, zumindest nicht jetzt und schon gar nicht mit ihm. “Ich muss hier weg”, sagte sie zu sich selbst, als sie nackt vor ihrem Spiegelbild stand. In ihrer Panik packte sie so viele ihrer Sachen wie möglich in ihre beiden Reisekoffer, schrieb “Es tut mir leid.” auf ein Post-it und verließ die Wände jener Wohnung, die sie schon viel zu lange eingeengt hatten, mit bestimmten Schritten.
Als er singend und mit Blumen in den Händen zur Wohnungstür hereintanzte, hatte er noch keine Ahnung was ihn gleich erwarten würde. Noch 3 Stunden bis zum Flug…