Mein Arm ruht auf der Lehne eines Stuhles, dessen Lederüberzug vom Herbstlicht zart geküsst, in goldbraunen Facetten mir erscheint. Das Licht, dass durch die große Glasfront fällt, streift auch den Schriftzug meines Unterarms, der leicht verblasst – doch immer noch gut lesbar ist und mich an längst erlebte Tage erinnert. Am Finger glänzt ein Ring, der mein Gesicht nach all den Jahren noch in eine Form verwandelt, die man Lächeln nennt. “Wer hätte das gedacht”, denk ich und höre wie im Hintergrund die schwere Eingangstür ins Schloss fällt.
Ich drehe mich um und sehe außer einem großen, offenen Raum, nur eine Silhouette, die im späten Sonnenschein des Herbstes kurz Gestalt annimmt. “Wie war dein Tag?” frag ich und gehe davon aus dass es ein guter war. “Wunderbar – vielen Dank” sagt sie und eilt unter die Dusche, um den Tag ein zweites mal zu starten.
Ich koche Wasser auf und gieß es langsam über dunkelbraunes Pulver. Wie auch in all den Jahren schon zuvor, schau ich den eingefärbten Tropfen nach, wie sie gemeinsam und dann einzeln leis in die Karaffe fallen. Das Aroma des Kaffees durchdringt verspielt den Raum und findet dann den Weg in zwei idente Tassen, auf denen unsere Initialien stehen. Ich stell sie beide auf den kleinen Tisch, der neben meinem Sessel steht und lass mich auf ihm nieder. Der erste Schluck ist immer wieder wie ein erstes mal und so lass ich den Blick zufrieden in die Ferne schweifen. Der See ist heute friedlich, nur das Schilf tanzt langsam mit dem zarten Wind, der über die gemalte Landschaft streift. Der Blick hinaus auf diesen See wird niemals bieder, als wär man mittendrin und Teil des schönsten Ortes dieser Welt, der sich zu jeder Tag- und Jahreszeit sich wandelt. Die Sonne steht inzwischen tiefer und erfüllt den Raum und mein Gemüt mit Dankbarkeit.
“Hey, danke für den Kaffee” erklingt es wie gewohnt und auf den Satz folgt schnell ein Kuss der flüchtig scheint, doch mir beweist, dass ich der Frau die Welt bedeute. Was haben wir erlebt und uns erbaut in dieser kurzen Zeit. “Weißt du noch, Ägypten?” frage ich und denke an die Bilder unserer ersten Reise. Wie wir im Einklang vor den Pyramiden standen und beide so verblüfft waren, dass uns die Worte fehlten. Dort wussten wir sofort, dass wir noch mehr erleben wollten und so kam es auch. Die halbe Welt hat uns gesehen und umgekehrt und keine Reise haben wir bis heut bereut. Ich nehme einen weiteren Schluck und denke mir, dass sie nicht mal den Herbst benötigt um gut auszusehen.
Das Haus am See war stets ein Traum doch ohne sie wärs nie soweit gekommen. Im träumen war ich immer gut, doch sie hatte die Gabe diese umzumünzen. “Machen wir’s doch einfach” war stets ihr unverblümter Ansatz und so entstand aus vielen Träumen all das was wir heute haben.
Die Sonne steht am tiefsten Punkt und färbt den Raum nun langsam rosa. Ein Spektakel, welches uns noch jeden Tag aufs neue zu begeistern weiß. In ein paar Tagen flanieren wir Hand in Hand durch Madrid um uns mit Botticelli, Dürer und De Goya zu umgeben. Die Ungezwungenheit ist das was uns von vielen unterscheidet. Wir kommen auch alleine gut zurecht und niemand schränkt den andern ein. Wir leuchten auch alleine in der Nacht, wie ich so gerne sage. Als ich mich still nach Griechenland begab um die Geschichten meines Lebens auf der Finca in ein Buch zu schreiben, hast du dich frisch verliebt in eine Stadt, die fast so lieblich ist wie du. Wir telefonierten jeden Abend und du hast mir erzählt – ich hör es heute noch – wie dich die Grachten Amsterdams verzaubern und im Park die Blumen blühen wie nie zuvor. Es ist egal wo wir grad sind, denn jeder weiß, auch wenn uns Welten trennen, dass niemand je von uns alleine ist. Wir sind wie weiche Wolken die federleicht durchs Leben ziehen und selbst bei Sturm den andren tragen.
Ich nehme deine Hand und küsse sie. Die Dämmerung nimmt ihren Laufe und auf dem Steg, der auf den See hinausführt, leuchten langsam die Laternen. Sie führen in der Nacht ins Nichts hinaus und machen uns bewusst, dass jeder Weg mal endet. Doch noch ists nicht soweit und morgen schon, wenn sich die Sonne wieder zeigt und diesen See und dieses Haus umhüllt mit goldnen Strahlen – küss ich dich wach und starte friedvoll in den Tag, voll Demut und mit Dankbarkeit.