Der weise Hugo Portisch war ein großer Freund des Schwammerlsuchens, da ihm diese Betätigung keine Chance ließ, an etwas anderes zu denken als an die Schwammerl, nach denen er gerade suchte. Er hatte Recht, denn bei einem normalen Spaziergang rotieren die Gedanken in einer Tour. Sie scheinen sich sogar zu vervielfältigen und kommen kaum bis gar nicht zur Ruhe. Als ich heute mein Hirn auslüften wollte, vernahm ich ein simples Gespräch zwischen zwei älteren Damen, die sich begeistert über ein Backrezept unterhielten. „Am besten bei 200 Grad und ja den Staubzucker nicht vergessen. Ja der Staubzucker, der ist das Beste.“ Den Strudel in meinen Gedanken konnte man weder bei 200 noch bei 220 Grad backen und auch nicht mit Staubzucker garnieren.

Meine Gedanken drehten sich seit Stunden um die Theorien des Ökonomen und Philosophen Adam Smith. In seinen beiden Hauptwerken Der Wohlstand der Nationen bzw. vor allem in Die Theorie der ethischen Gefühle beschreibt er eine Sache, die mir 250 Jahre später aktueller denn je erscheint. Es geht um eine moralische Instanz – den sogenannten unparteiischen Beobachter – der uns dabei hilft unser eigenes Handeln mit etwas Abstand zu betrachten und dadurch fairer zu bewerten. Bevor wir also vorschnell und voreingenommen agieren, lassen wir den Sachverhalt mit all seinen Faktoren nochmal durch eine Schleife laufen, die uns hilft, alle Seiten zu verstehen und dadurch empathischer und vor allem moralisch gerechter zu sein. Dieser unparteiische Beobachter ist allerdings keine externe Person, sondern eine innere Perspektive, mit der wir unser Verhalten selbstkritisch reflektieren und Mitgefühl mit anderen entwickeln können. Denn der Mensch, so Smith, agiert nicht nur aus Eigeninteresse, sondern auch aus anderen Beweggründen.

Man mag den Menschen für noch so egoistisch halten, es liegen doch offenbar gewisse Prinzipien in seiner Natur, die ihn dazu bestimmen, an dem Schicksal anderer Anteil zu nehmen. Diese Prinzipien sind natürliche Empathie, soziale Anerkennung und eigenes Gewissen.

Adam Smith

Genau dieses Mitgefühl und die Fähigkeit, das eigene Handeln aus der Perspektive anderer zu betrachten, sind auch für eine funktionierende Gesellschaft essenziell. In Der Wohlstand der Nationen argumentiert Smith, dass eine gesunde Marktwirtschaft nicht nur von Eigeninteresse, sondern auch von Fairness und Wettbewerb geprägt sein muss. Zu große Machtkonzentrationen – also Monopole – gefährden diesen freien Wettbewerb und treten das so wichtige Gemeinwohl mit Füßen. Dass diese 250 Jahre alten Theorien auch heute noch ihre Gültigkeit haben, zeigt sich an Elon Musk, der seinen unparteiischen Beobachter komplett ausgeschaltet hat und der sein eigenes Wohl, seine Machtansprüche und sein Vermögen ganz klar in den Vordergrund stellt. Wenn die reichsten und mächtigsten Personen das Gemeinwohl missachten, darf man sich nicht wundern, wenn die Zeiten instabil werden und ein Wohlstand aller Nationen eine Utopie bleibt.

Warum ich nicht auch über Backrezepte nachdenke oder darüber, welches Konsumgut ich mir als nächstes kaufen könnte? Ich weiß es nicht. Meine Gedanken kreisen eben um solche Theorien – und das es mit unserem heutigen Wissen und den Technologien doch prinzipiell möglich sein müsste, jeden Menschen auf diesem Planeten zu ernähren und jedem ein friedvolles Leben zu ermöglichen. Stattdessen erleben wir Kriege, Rassismus, Gier und Verleumdung am laufenden Band. Die klugen Köpfe von früher hatten auf jeden Fall Recht mit ihren Einschätzungen – sei es Adam Smith, aber auch Hugo Portisch mit seinen Schwammerl.

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